Aufstrebendes Sharjah - Ein Emirat zwischen Tradition und Moderne

19.10.2016 11:21

Das Emirat Sharjah ... schon mal von gehört? Nein? Aber von Dubai natürlich, der riesigen Metropole, die mit Sharjah schon so ziemlich zusammengewachsen ist. Sharjah ist sowas wie die zurückhaltende kleine Schwester von Dubai, die immer so ein bisschen im Schatten der pompösen Diva steht. Dabei hat auch Sharjah City einiges Interessantes zu bieten - wenn auch noch keine imposanten Superlative. 

Hafen von Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Foto: Wolfgang Bürkle
 
Ich hüpfe also an einem Samstagnachmittag vor meinem Hotel in Dubai in ein Taxi, sage dem Fahrer, der wie so viele andere hier aus Indien stammt, er soll mich an die Corniche von Sharjah bringen, also die Flanierstraße der Stadt am Hafen. Er lacht kurz, sagt, in dem anliegenden Viertel habe er lange Zeit gewohnt. Und so wie viele Bewohner von Sharjah ist er jeden Tag zum Arbeiten nach Dubai gependelt. Die Taxifahrt dauert 20 Minuten, kostet umgerechnet knapp 15 Euro. Der Fahrer lässt mich am Hafen, nahe des "historischen" Viertels heraus. Und ich stelle direkt fest: In den Nebenstraßen ist hier am helllichten Tag noch weniger los, als im historischen Bastakya-Viertel von Dubai. Gut, denke ich mir, vielleicht ist es nur zu heiß, oder ich bin nur an der falschen Stelle ausgestiegen. Also gehe ich erstmal zum Sharjah Art Museum, schließlich war das Emirat „Hauptstadt der islamischen Kultur 2014“. Doch irgendwie ist auch auf dem Platz davor alles leer. Der Eintritt ist immerhin kostenlos, der Mitarbeiter gelangweilt, er winkt mich nach oben, da im Erdgeschoss die Räume gerade "überarbeitet" werden. Die Auswahl der Kunstwerke ist jedoch interessant - viele lokale Künstler aus den vergangenen Jahrzehnten, diverse Stilrichtungen und alles in neuen Räumen. Ein paar andere Besucher treffe ich sogar auch noch an. 
 
Fort Al-Hisn in Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Foto: Wolfgang Bürkle
 
Ich gehe ein paar Hundert Meter weiter zum Al-Hisn Fort, einer wiederaufgebauten Festung, die ebenfalls ein Museum beherbergt. Direkt nebenan rauscht krachend eine Abrissbirne in ein altes Hochhaus hinein - auch Sharjah setzt mittlerweile auf viele Neubauten und den Tourismusboom in der Region. Allerdings entstehen hier eher zweckmäßige Hochhäuser und keine prestigeträchtigen Blingbling-Objekte wie in Dubai. Das Fort liegt zwischen Hochhäusern auf einer Straßeninsel, alte Kanonen stehen davor, außerdem ein alter Holzpflock, an dem früher Straftäter bestraft wurden. Im Fort wird die Geschichte des Emirats erläutert, mit vielen Fotos und einigen Ausstellungsstücken. Ich bin mal wieder der einzige Besucher ... aber so wirklich vom Hocker haut mich das Fort jetzt auch nicht. Der Weg führt mich weiter zum nahe gelegenen "Heart of Sharjah" - einer Baustelle, die irgendwann einmal ein historisch angehauchtes Shopping- und Museumszentrum der Stadt werden soll. Von einer dicken Mauer umgeben, sind hier Kalligrafie-Museum, noch ein Kunstmuseum, das Nationaltheater und mehr zu finden. Aber irgendwie interessiert das an diesem Samstag niemanden. Geöffnet hat das Heritage Museum, eine kitschige Ausstellung zu Kultur, Kostümen und Gebräuchen. Natürlich ist außer mir kein Besucher da - aber da das ganze Viertel irgendwie noch im Entstehen ist, wundert mich das wenig. Draußen stehen ein paar riesige Teekannen herum, die so etwas wie Infocenter werden sollen. In den leeren Abschnitten des Freiluft-Souks spielen ein paar Teenies auf ihren Handys - und im überdachten Teil des Souks Al-Arsah wird mehr Ramsch als Nützliches verkauft. Immerhin haben ein paar Läden auf. Dennoch: Nur die Plakate an den Bauzäunen verheißen einen irgendwann einmal entstehenden Luxus.
 
Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Foto: Wolfgang Bürkle
 
Ich gehe weiter durch das unfertige Stadtviertel, vorbei an Baggern und Absperrungen - weiter zum stinkenden Viehmarkt, wo Kühe, Ziegen und Schafe gehandelt werden. Der Geruch von tierischen Exkrementen treibt mich schnell weiter, am Busbahnhof vorbei in Richtung Central Souq und King Faisal Mosque. Letztere schaue ich mir nur kurz aus der Ferne an - ein riesiges Gotteshaus, es betreten dürfte ich eh nicht. Der Souq immerhin ist architektonisch interessant, auf zwei Straßenseiten verteilt und mit Brücken verbunden. Doch darin gibt es nur arabische Kleidung, Schmuck und billigen Tand - wieder ein himmelweiter Unterschied zu den mächtigen Malls von Dubai. Ich komme beim Stöbern mit einem Verkäufer ins Gespräch. Seine "typisch arabischen" Souvenirs? Alle in Fernost produziert, selbst die Wasserpfeifen, Stoffkamele und Burj-Khalifa-Miniaturen. Da stimmt zumindest der Preis, ergänzt er. Ich kaufe trotzdem nur eine Sprite. 
 
Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Foto: Wolfgang Bürkle
 
Versöhnen kann mich dann der Sonnenuntergang an der Corniche - wo die Sonne hinter den Wolkenkratzern durchblitzt. Hier flanieren viele Einheimische, manche gehen Joggen, einige schieben einen Kinderwagen vor sich her. Ein paar alte Schiffen dümpeln im Hafen. Auf der kleinen Al-Noor-Insel schießt alle paar Minuten eine hohe Wasserfontäne in den Himmel. Am anderen Ufer wirkt das Al-Majaz Amphitheater zwischen den Wolkenkratzern wie ein merkwürdiger Fremdkörper unter glänzen Riesen. Das Abendrot nimmt einen Teil der Hitze in sich auf. Hinter der prächtigen (der Hagia Sophia ähnelnden) Al-Noor-Moschee senkt sich langsam das Dunkel der Nacht herab. Und ich setze mich wieder in ein Taxi, um diese unfertige Stadt zu verlassen, die irgendwie hin- und hergerissen ist zwischen Tradition und Moderne. In der ein Stadtteil neu gebaut wird, um alt zu wirken. Und in der der Tourismus erst langsam aufwacht. 
 
Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Foto: Wolfgang Bürkle
 
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