Jubel, Tränen, Schweiß und Käse: Beim Naadam-Fest in der Mongolei

28.07.2015 11:19

Staubwolken haben sich am Horizont gebildet. Die Sonne flirrt auf der Steppe. Es wird noch eine gute Viertelstunde dauern, bis die legendären Reiter eintreffen. Wir warten in der Hitze am Zieleinlauf. Denn das Pferderennen ist eines der Höhepunkte beim Naadam-Fest. Und das, obwohl die Reiter alle noch Kinder sind.

Naadam ist das größte Volksfest in der Mongolei. Seit Jahrhunderten wird der Wettstreit in den drei Disziplinen Pferderennen, Bogenschießen und Ringen veranstaltet, in allen großen Städten und auch in den kleinen Provinzen auf dem Land. Und während in der Hauptstadt Ulan Bator das offizielle und größte Naadam gefeiert wird, ist es hier in der Provinz eine familiäre und entspannte Angelegenheit, zu der auch viele Nomaden aus der ganzen Region kommen. 

Beim Naadam-Fest in der Mongolei. Foto: Wolfgang Bürkle

Ich bin in Tosontsengel, irgendwo im Land zwischen Ulan Bator und dem Khövsgöl See. Gegen 10 Uhr soll das hiesige Naadam losgehen, hieß es. Doch irgendwie ist um diese Uhrzeit in der Arena noch nicht so viel los. Junge Mädchen proben in ihren bunten Kostümen die Choreographie für ihren Auftritt, der Ton wird getestet, und auf den Zuschauerrängen herrscht gähnende Leere. Der Bürgermeister zumindest begrüßt uns in seiner weißen Kluft schon einmal mit Handschlag. Jugendliche scherzen außerhalb der Arena miteinander auf ihren Pferden. Erst langsam wird es voller, als die Ältesten und die Ehrenreiter für die Zeremonie eintreffen. Und selbst die posieren noch schnell für ein Handyfoto in ihrer traditionellen Montur. Oder tauschen sich über den Inhalt ihrer verzierten Schnupftabakdöschen aus, die jeder anständige Mongole bei sich trägt. 

Derweil bekomme ich mit, dass das Pferderennen wohl schon läuft, irgendwo außerhalb des Ortes sind die Kinder zwischen 6 und 12 Jahren gestartet, das Ziel befindet sich einen knappen Kilometer von der Arena entfernt. Wann sie ankommen, bekommen wir noch rechtzeitig mit. Bis dahin kann schon mal die offizielle Zeremonie beginnen. Die Hymne wird gesungen, die Mädels tanzen, eine Gruppe spielt traditionelle Musik auf der Pferdekopfgeige und ein Moderator schwingt große Reden. Dann galoppieren die Ehrenreiter in Kriegertracht durch die Arena, rotblaue Fahnen werden gehisst und die ersten Käsebrocken geworfen. Was alles erzählt wird, verstehe ich dank fehlender Mongolisch-Kenntnisse nicht, es scheint aber wichtig zu sein.  

Beim Naadam-Fest in der Mongolei. Foto: Wolfgang Bürkle

Kaum ist die Eröffnungszeremonie beendet, machen sich auch schon die ersten Ringer warm. Sie dehnen ihre stämmigen Beine und Arme, wollen sich auf den Wettkampf vorbereiten. Doch auf einmal kommt Bewegung ins Publikum. Ein Großteil der Menge steht auf, läuft eilig zum Auto, Pferd oder Motorrad und fährt in Richtung Südwesten. Offenbar wird am Ortsrand schon der Zieleinlauf eingeläutet. Wir springen auch hektisch in den russischen UAZ-Offroader, düsen den anderen hinterher und sehen schon eine Menschenmenge an zwei zulaufenden Zäunen stehen - dem Zielpunkt des Pferderennens. Doch von Reitern ist noch nichts zu sehen. Nur die Staubwolken am Horizont, die sich langsam nähern. 

Ich laufe ein bisschen herum, schaue mir die Menschen an, die Familien, die sich extra für den heutigen Tag herausgeputzt haben. Seide und Polyester-Kleidchen dominieren, manche Frauen sind vornehm blass geschminkt, die Männer tragen ihre langen Mäntel mit den bunten Gürteln. Manche tragen noch große Messer und die typischen spitzen Hüte. Die Jüngeren haben sich dem westlichen Kleidungsstil angenähert, mit Jeans und T-Shirts reiten sie auf Pferd und Bike. Irgendwann hat das Warten ein Ende - die Reiter nähern sich in hoher Geschwindigkeit. Am Zieleinlauf drängen sich die Familien und Gäste - sie jubeln dem schnellsten Reiter zu, der sich kurz vor der Ziellinie noch einmal umschaut und mit der Gerte heftig auf sein Ross eindrischt. Der Junge ist wohl gerade mal zehn Jahre alt. Für die Nächstplatzierten wird der Beifall geringer, die letzten Reiter ernten nur ein paar mitleidige Blicke, sind selbst scheinbar den Tränen nahe. Vielleicht klappt es im nächsten Jahr besser.  

Beim Naadam-Fest in der Mongolei. Foto: Wolfgang Bürkle

Wir fahren zurück zur Arena. Hier haben sich die ersten Ringer schon ausgetobt. Da aber anscheinend zu wenige professionelle Ringer an den Start gegangen sind, dürfen auch Lokalhelden mitmischen. Sie vollführen alle den markanten Adlertanz mit den weit ausgebreiteten Armen. Ab und zu werden wieder Käsebröckchen geworfen. Und schließlich wird auch mal gerungen. Scheinbar regungslos verharren die Kämpfer immer wieder, während sie sich eng umschlungen an den offenen Jäckchen festhalten. Irgendwann macht einer von ihnen eine ruckartige Bewegung, in der Hoffnung, seinen Kontrahenten aus der Bahn und damit auf den Boden zu werfen. Der Schweiß rinnt ihnen die Gesichter herab, nur nicht klein begeben. Schließlich gelingt einem der entscheidende Griff, er bringt den Gegner aus der Balance, dieser fällt aufs Knie und hat damit verloren.    

Nur wenige Meter von der Arena entfernt üben sich die Bogenschützen - auch Frauen dürfen hier mitmachen. Doch die ersten Schützen, die ich sehe, haben offenbar noch nie einen Bogen in der Hand gehalten. Der Pfeil fällt herunter, bevor er überhaupt in der Sehne stabilisiert ist. Gelächter bei den Zuschauern. Schließlich erbarmen sich zwei Profis, nehmen die Bögen in die Hand, legen die Pfeile an und schießen gekonnt auf die gut 75 Meter entfernten Ziele auf dem Boden. Als einer von ihnen direkt trifft, reckt er zum Applaus die Faust in die Höhe. Die Adler, die ab und an über uns kreisen, lassen sich von den Pfeilen nicht beeindrucken.  

Ganz anders als hier auf dem Land soll das Naadam in Ulan Bator sein: Hunderte Ringer, Reiter und Bogenschützen, dazu tausende Besucher, die drängeln und schubsen. Naadam ist schließlich Nationalfeiertag und Sportturnier in einem. Doch das beschauliche Fest hier im Steppenland hat einen ganz anderen Charme - ich bin mitten drin im Geschehen, jubele neben den Nachfahren des Dschingis Khan dem erfolgreichen Reiter zu und erlebe hautnah, wie chaotisch, aber doch harmonisch das Naadam sein kann. 

Beim Naadam-Fest in der Mongolei. Foto: Wolfgang Bürkle

 
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