Die alte Mauer, Wein und Nazi-Zombies - Reisen in der Corona-Zeit

26.10.2020 12:07

Man kommt in diesem Jahr auf merkwürdige Gedanken, wenn man das Reisen eigentlich gewöhnt ist und gerne auch vollzieht, aber das eben nicht so kann, wie man es gerne würde. Da sitze ich nun wegen dieser blöden Corona-Pandemie viel Zeit Zuhause in Nierstein ab, reise gelegentlich etwas durch Deutschland, vielleicht auch mal kurz in die gerade nicht abgeriegelten Zonen des nahen Auslands - und bin dann immer froh, wenn im Trott des Alltags etwas passiert, dass sich dann doch von genau diesem etwas abhebt. Sei es der erste Besuch einer Straußwirtschaft seit einem halben Jahr oder die Anfrage von Freunden, im Rahmen des Hausbaus beim Zerstören einer alten Mauer zu helfen. Die kleine Auszeit vom Alltag - kann das ein Ersatz für das geliebte Reisen sein? Oder ist das nur ein Synonym für die "Reise zu mir selbst"? Nee, so verzweifelt bin ich noch nicht, dass ich daran arbeiten müsste. Wie passen Mauern und Reisen zusammen? Vielleicht der Trip durch die Heimat? Naja, nicht, wenn es nur zwei Straßen in Nierstein weiter geht. Hilft das Zerstören der Mauer vielleicht zu einer Reise in eine fiktive Welt? Werde ich also Autor für Heimatkrimis? Oder schwurble mir Liebesgeschichten zusammen? Vielleicht ein Abenteuerroman? Alles für die Zerstörung der Mauer, ein Sinnbild der Gedanken, die auch eingerissen werden müssen.  

 

Nierstein, Rheinhessen, Deutschland. Foto: Wanderwithwol.com
 
Die Kreativität muss sich also nun beweisen. Brainstorming ist angesagt - am Beispiel eben dieses steinernen Objekts, das Grenzen aufzeigt, die nun mit einem großem Hammer eingerissen werden. Witze über Mauern gibt es dieser Tage, kurz vor der US-Wahl ja durchaus. Donald Trump hat es nicht geschafft, seine riesige "Wall" Richtung Mexiko zu vervollständigen. "Tear down this wall" ist zu Klischeebeladen, um das überhaupt noch irgendwie in Gedankenspielen aufzugreifen. David Hasselhoff würde sich zu solch einem kleinen Mauerfall im Grab... ach nein, der lebt ja noch. "Mauern einreißen" erinnert auch so an "Grenzen überwinden", ein Leitspruch vieler Reisender. Aber da sind wir auch wieder genau im Klischee gelandet. Muss es doch ein Krimi werden, über eine Leiche, die unter der grauen Mauer vergraben wurde. Mit viel Heimatkolorit, also in diesem Fall Weck, Worscht und Woi. Uff... leider habe ich nicht die Muße, so etwas zu schreiben, ein gescheiter Krimi benötigt ja schon Dutzende Buchseiten. Verlockend wäre es allerdings, wenn ich Nazi-Zombies dazu dichte, die bereichern zumindest jeden guten Trash-Film. Also wären wir dann bei "Nazi-Zombies und die Leiche unter der Mauer - ein rheinhessischer Heimatkrimi". Wer würde das nicht lesen wollen? Ja gut, nicht alle Hände auf einmal heben...
 
Wanderwithwolf. Foto: Mona
 
Für eine historische Reise zu den Mauern der Heimat muss ich mich hinten anstellen. Es gibt einfach zu viele engagierte und mit viel Wissen gesegnete Menschen in Nierstein, die sich viel besser mit so etwas auskennen. Die können aus dem Stehgreif genau sagen, wann welches Gebäude gebaut wurde, wo hier einst die Stadtmauer war, wer mit wem und was wann genau an welcher Mauer gemacht hat. Vielleicht eine Liebesgeschichte aus Rheinhessen - doch da fallen mir wieder Klischees ein: "Wir haben uns beim Fest/Verein/Saufen, etc. kennengelernt - er/sie hat gegen die Mauer gekotzt/gepinkelt." Okay, das ist zwar nicht romantisch - aber durchaus realistisch. Es läuft nun doch auf eine fiktive Abenteuergeschichte rund um die Mauer hinaus. Nicht zu lang, nicht zu kurz, mit einer überraschenden Wendung, mit einem sympathischen Charakter. 
 
Los geht's mit der ersten Kurzversion (alle Charaktere und Ereignisse sind fiktiv und beruhen nicht auf wahren Personen):  
Es war ein trüber Herbsttag, als "unser Held" (Name noch offen) auf einer seinen vielen Reisen durch die Heimat einem Kumpel half, eine alte Mauer am Rande seines Grundstücks einzureißen. Kurz bevor das letzte große Stück der Mauer fiel, bemerkte unser Held, dass aus einem der Steinbrocken der Rand einer Metall-Dose heraus lugte. Schnell wurde das restliche Gestein abgehauen und der Held öffnete die Dose. Darin: ein zusammen gefaltetes Dokument. Darauf: eine Botschaft. "Wer das Geheimnis um den besten Niersteiner Wein lösen will, muss im Schein des Vollmonds auf dem Fronhof die alte Wasserpumpe mit lieblichem Riesling einreiben." Verrückt? Egal. Gesagt, getan: Zum nächsten Vollmond gingen unser Held und sein Kumpel mit einer Flasche Riesling auf den Fronhof, sie öffneten diese und rieben die Pumpe damit ein. Plötzlich zischte es und auf dem Lack der Pumpe war zu lesen: "Ihr wollt das Geheimnis wirklich wissen? Dann geht beim nächsten Vollmond zum Wartturm und haltet im Mondschein ein gefülltes Weinglas unter das Eingangsportal." Unser Held und sein Kumpel trafen sich also wenige Wochen später wieder bei Vollmond am Wartturm, hoch über Nierstein. Sie füllten ein Glas mit Wein und hielten es unter das Portal. Das Mondlicht wurde nun auf einen sonst nicht sichtbaren Teil der Türmauer geworfen. Hier erschienen die Worte: "Ihr seid am Ziel Eurer Suche. Schaut euch um: Der beste Wein wächst am schönsten Ort der Welt. Hier! Das ist das Geheimnis." Ende der Geschichte. 
 
Wartturm, Nierstein, Rheinhessen, Deutschland. Foto: Wanderwithwol.com
 
Okay, sie ist nicht gut und nicht wirklich aufregend. Für mehr hat es nicht gereicht - eine platte Abenteuergeschichte für eine nun plattgemachte Mauer. Nazi-Zombies würden an der Storyline vermutlich auch nichts mehr retten. Aber die Corona-Pandemie dauert ja noch ein paar Monate. Vielleicht fällt mir da noch eine bessere Wendung oder eine längere Reise für die beiden Protagonisten und eine alte Mauer ein. Am Schluss bleibt dies natürlich eine Reise durch merkwürdige Gedanken, die eben in diesen Monaten so entstehen, wenn das Reisen hauptsächlich in den eigenen vier Wänden und im Kopf vonstatten geht. Aber bald geht es ja wieder in ein neues Abenteuer, irgendwo da draußen, wenn auch vorerst nicht am anderen Ende der Welt.
 
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