Das echte Dach der Erde: Am Chimborazo in Ecuador
15.11.2016 11:49Der Druck im Kopf steigt mit jedem Meter, die Lunge schmerzt beim Einatmen, die Beine sind unendlich schwer. Ich schleppe mich vorwärts, langsam, immer weiter, immer höher. Alle paar Schritte bleibe ich stehen. Ich schaue nach vorne, luge unter dem Rand meiner Basecap heraus. Vor mir liegt der schneebedeckte Gipfel des Chimborazo, mit 6268 (nach alten Messungen 6310) Metern der höchste Berg von Ecuador - und eigentlich die höchste Erhebung der Erde. Denn dank der ungleichen Form unseres Planeten ist die Spitze des Chimborazo weiter vom Erdmittelpunkt entfernt, als die Spitze des Mount Everest. Man könnte auch sagen: Der Chimborazo ist der Punkt auf der Erde, der der Sonne am nächsten kommt.
Zum Gipfel allerdings gehe ich heute nicht. Die Hütte auf 5041 Metern (das Refugio Whymper) wird reichen und auch der Startpunkt für meinen Weg lag gerade mal 200 Höhenmeter niedriger, bei einer weiteren Hütte (Refugio Carrel), bis zu der noch Fahrzeuge hochfahren können. Also eigentlich nur ein winziger Spaziergang. Mal kurz die Beine vertreten. Doch natürlich täuschen in dieser Höhe die Distanzen - und die zu erwartende Anstrengung. Schnell geht hier gar nichts und wer mal kurz Sprinten will, ist nach wenigen Schritten am Ende seiner Kräfte. Langsam und ohne Eile geht es besser. Und auch wer den eigentlichen Gipfel des Chimborazo besteigen will, muss sich mehrere Tage lang in dieser Höhe akklimatisieren.
Das Wetter ist heute perfekt, nur wenige Wolken sind am Himmel, der Wind hält sich in Grenzen. Ich kann die niedrigeren Berge am Horizont ausmachen, eine ganze Reihe von ihnen, über die langsam weitere Wolken ziehen. Eine einmalige Aussicht auf die "Straße der Vulkane" zwischen Ecuadors Hauptstadt Quito und Cuenca. Um mich herum ist alles voller Geröll und Steine in allen möglichen Größen und Formen. Am Anfang des Weges wurde ein markantes pyramidenförmiges Denkmal errichtet, daneben sind Grabsteine von Menschen, die auf dem Weg zum oder vom Gipfel umgekommen sind. Teilweise junge Leute, erst vor wenigen Jahren gestorben. Sie haben den Kampf gegen Höhe, gegen Schneelawinen und Geröll verloren. Vor einem Grab wurde eine bunte Blume befestigt. Sie sticht aus dem rötlichen Grau der Landschaft heraus.
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