Honduras: Der Kaninchenkönig von Copan

04.06.2020 12:36

Die Ruinen von Copan, Honduras. Foto: WanderWithWolf.com

Es war einmal ein König, der hieß "18 Kaninchen". Er machte das Königreich Copan, in dem schon sein Vater herrschte, zu einem bedeutenden Kunst- und Kulturzentrum, berühmt in der ganzen Region. Wie seine Vorgänger sah sich 18 Kaninchen gottgleich - und seine Untertanen sollten dies auch sehen: Prunkvolle Tempel und Stelen entstanden unter seiner Regentschaft, der Herrscherkult nahm auch in der Architektur monumentale Ausmaße an. Doch wie in so vielen Fällen zuvor, nahm auch die Herrschaft von 18 Kaninchen ein zu schnelles Ende: Ein anderer König namens Cauac Sky kam, nahm ihn in einer Schlacht gefangen und köpfte ihn schließlich. Ironie der Geschichte: Cauac Sky, der 18 Kaninchen töten ließ, war von diesem 13 Jahre zuvor als Herrscher von Quirigua inthronisiert worden. 

Die Ruinen von Copan, Honduras. Foto: WanderWithWolf.com

So weit, so gut. Diese royale Mördergeschichte, offenbar eine Intrige, ist es, die auch ein bisschen den Hype von Copan, der berühmten Maya-Stadt im Westen von Honduras, ausmacht. 18 Kaninchen war einer der prominentesten Herrscher dieser Metropole. Und noch heute kommt kein Besucher der Ruinen an seiner Geschichte oder seinem Antlitz vorbei - denn auf den einzigartigen Stelen ließ er sich verewigen und auf der grandiosen Hieroglyphentreppe ist sein Schicksal "nachzulesen", zumindest für die, die sich mit solchen Inschriften auskennen. Und für die, die sich mit der Geschichte von Copan auseinandersetzen. Dessen Glanzzeit dauerte mehrere Jahrhunderte - aber am stärksten präsent scheint heute die Einflußphase von 18 Kaninchen zu sein, der von 695 bis 738 gelebt hat. Er war nunmal derjenige Herrscher, von dem heute am meisten bekannt ist. 

Die Ruinen von Copan, Honduras. Foto: WanderWithWolf.com
 
Doch wieso dieser merkwürdige Name? Denn "18 Kaninchen" klingt so niedlich, wie aus einem Comic. Oder wie ein Plüschtier. Ist das nicht unangemessen für einen erhabenen König? Des Rätsels Lösung ist etwas verwirrend: Denn der Name "18 Kaninchen" stammt aus der Zeit, als Archäologen noch nicht wussten, wie man die Zeichen der Maya ausspricht - sie konnten nur ihre Bedeutung bis zu einem gewissen Grad verstehen. Das Symbol für "18 Kaninchen" war entsprechend die Zahl 18 und dazu ein in Stein gemeißelter Kaninchenkopf. Seit der Wiederentdeckung von Copan Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich jedoch das Wissen um die Inschriften der Maya erheblich erweitert - auch dank der großen Hieroglyphentreppe mit über 2000 Symbolen. 
 
Die Ruinen von Copan, Honduras. Foto: WanderWithWolf.com
 
Im Laufe der Jahre wandelte sich "18 Kaninchen" in "18 Ziesel" - und dies ließ sich phonetisch übersetzen in "Waxaklajuun Ub'aah K'awiil". Definitiv komplizierter auszusprechen als "18 Kaninchen" - und so hat sich eben dieser Name bis heute bei Guides und Touristen festgesetzt. Zudem schmunzelt man doch ein bisschen, wenn es heißt, ja unser bedeutendster König hieß 18 Kaninchen. Ergänzen sollte man, dass allen Herrscher hier solche Namen angetragen sind: darunter Mond-Jaguar, Rauch-Hörnchen oder auch Sonnen-Krokodil.
 
Die Ruinen von Copan, Honduras. Foto: WanderWithWolf.com

Copan ist nur wenige Kilometer vor der Grenze nach Guatemala. Das kleine Städtchen, dass ebenfalls den Namen Copan trägt, ist ein Idyll - ein schöner Platz mit Brunnen in der Mitte, gepflegte Häuser, Kopfsteinpflaster und viele Gaststätten. Eine Grenzstadt, die von Touristen lebt, in der die Währungen von Honduras, Guatemala und der Dollar gelten  - und wo die Grenzkontrollen eher lax scheinen. Klar, die Ruinen sind das, was die Menschen aus der ganzen Welt anlockt. Bei meinem Besuch war etwa eine japanische Delegation vor Ort, die mit viel Tamtam einen Baum hier pflanzte. Für die Maya muss das Gebiet ideal gewesen sein: ein fruchtbares Land, optimal zum Jagen und zum Ackerbau. Über den Fluss konnten sie Handel treiben, in der Nähe waren bedeutende Jade-Vorkommen. Und ein wenig fühlt man sich beim Besuch der in großen Teilen überwachsenen Pyramiden wie Indiana Jones. Erst läuft man über eine große Rasenfläche, schaut sich die beeindruckenden Stelen an, die von 18 Kaninchen erzählen, von seinen Ruhmestaten, von mythischen und realen Gegebenheiten. Dann läuft man über den Ballspielplatz zur großen Treppe, weiter die Pyramiden hoch, quer durch Dschungel und wieder entlang weiterer Steinmonumente, die knapp 1000 Jahre lang in Vergessenheit geraten waren. 
 
Die Ruinen von Copan, Honduras. Foto: WanderWithWolf.com
 
Die Ruinen von Copan sind verwirrend, ineinander verschachtelt, aufeinander gebaut und teilweise direkt an einem Abgrund in dem fruchtbaren Tal. Ein Albtraum für Fans der Gleichförmigkeit, ein Traum für Chaotiker. Wie in vielen Maya-Anlagen war es auch hier üblich, dass die Tempel des einen Königs vom nächsten König überbaut wurden. Die Faszination von Copan liegt im Detail: hier noch eine hässliche Fratze an der Seite einer Pyramide, da noch eine riesige steinerne Fledermaus mit gewaltigem Penis und dort noch ein Fries mit eckigen Totenköpfen. Nach 18 Kaninchen kamen noch mindestens vier weitere Herrscher - doch deren Errungenschaften scheinen immer in seinem Schatten zu bleiben. Copan verlor seinen Glanz, seine Bedeutung - und wurde wenige Jahrhunderte später aufgegeben. Jedenfalls bis jetzt, wo sich Neugierige auf die Spur von 18 Kaninchen begeben können und von seinen Taten und dem Verrat durch Cauac Sky erfahren können.     
 

Die Ruinen von Copan, Honduras. Foto: WanderWithWolf.com

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Quellen: 

https://uncoveredhistory.com/honduras/copan/

https://everything2.com/title/18-Rabbit

 

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