Kambodscha - Der Mönch von Angkor Wat

10.01.2012 13:37

Seine sehnigen Hände verschwinden irgendwo in dem langen orangefarbenen Gewand, dass sich der glatzköpfige Mönch um seinen dünnen Körper geschlungen hat. Sein Blick schweift irgendwo in die Ferne. Er fixiert wohl die von grünem Moos überzogenen Steine der Bayon-Tempelanlage bei Angkor Wat, so als wolle er die jahrhundertealte Energie in sich aufnehmen, die sich in dem gewaltigen Tempel angesammelt hat. Leicht lehnt er sich an einem Türbogen von einem der vielen Tempelbauten an, aber nicht so, dass sein ganzes Gewicht dagegen fällt, eher vorsichtig, als wolle er nichts kaputt machen oder gar die Götter beleidigen, denen der gewaltige Khmer-Tempel gewidmet ist. Einige Minuten lang verharrt er so, in stiller Meditation, einfach das hier und jetzt genießend. Kein Muskel zuckt, nur ab und zu blinzelt er ein wenig das gleißende Sonnenlicht weg. 

Irgendwann bewegt er sich wieder, seine nackten Füße tragen ihn ein paar Meter weiter zu einer Mauer. Er überlegt nicht lange, rafft wieder seinen faltigen Umhang geübt zusammen und setzt sich. Ein wenig nach vorne gebeugt begutachtet er den Steinboden, bald tausend Jahre alt, von zehntausenden Menschen über hunderte Jahre hinweg beschritten. Eine pummelige Touristin mit blonden Haaren und kurzen Hosen besitzt den Mut, ihn für ein Foto anzusprechen. Er lächelt und nickt leicht, erfreut, dass ihn wenigstens einer von dutzenden Menschen gefragt hat, die ihn fotografieren, diesen grellen Orangefleck zwischen tristem grüngrauen Mauerwerk. 

Ein Mönch in den Ruinen von Angkor Wat, Kambodscha. Foto: Wolfgang Bürkle

 

Natürlich drücken andere Europäer, Amerikaner und Asiaten auch auf den Auslöser, zu verlockend ist das Bild eines buddhistischen Mönchs, der den starren eintönigen Steinmassen Leben einhaucht. Nach ein paar Minuten ist die große Touristengruppe hastig weiter gezogen, der Mönch kann wieder ein wenig Ruhe genießen. Er holt ein kleines Büchlein aus den Tiefen seines Umhangs, studiert ein paar Seiten, macht sich grübelnd mit einem Bleistift eine Notiz und steckt es dann wieder weg. Kurz darauf hebt er seinen kahlgeschorenen Kopf, blickt auf die großen Steingesichter um ihn herum und steht dann auf. Er geht ein paar Meter weiter, um einen kleinen Schrein herum und schließlich zum Fenstersims eines weiteren verzierten Tempels. Hier scheint noch etwas Sonne, also nimmt er eine Hand, um seinen Umhang zu halten, mit der anderen hält er sich am Sims fest, um einen guten Sitzplatz zu finden. 

 

Die nächste Touristengruppe scheint ihn nicht zu interessieren, die Augen schließt er kurz, die Sonne steht bereits tief und die Temperaturen bewegen sich langsam in angenehme Bereiche. Das Interesse weiterer Besucher weckt er auch nur gering, wahrscheinlich haben sie schon dutzende andere Mönche in den alten Anlagen von Angkor fotografiert, oder einige Apsara-Tänzerinnen und Masken-Tänzer, die die Touristen in ihren grellen Kostümen und Masken anlocken. „One Picture, one Dollar" schreien sie und werfen sich dann in Pose, mit abgespreizten Fingern, geknickten Händen und Dolchen in der Hand. Der Mönch will keinen Dollar, in ein paar Stunden wird er wieder Reis bekommen, in einer kleinen Schale, in einem kleinen Kloster, und schweigend davon essen. 

 

Angkor ist für viele Mönche ein Pilgerziel, auch die, die sonst Verzicht üben, schießen mit Handykameras Fotos, staunen mit offenem Mund über die architektonischen Meisterwerke, die gewaltigen Bäume, deren Wurzeln Teile der Tempel zerstören und sie zu einem Mahnmal dafür machen, dass sich die Natur wieder ihren Platz erkämpft. Viele Mönche haben Flipflops an, oder Sandalen, manche auch Sonnenbrillen. Der barfüßige Mönch aber blickt ohne Schutz in die verschwindende Sonne, wartet noch kurz, bis er alleine ist, hüpft von seinem Fenstersims herunter und verneigt sich leicht vor der Khmer-Pilgerstätte. Dabei lächelt er ein ähnlich geheimnisvolles Lächeln, wie es auch die Steingesichter auf den Türmen tragen. Schließlich atmet er tief durch, vergräbt die Arme in seinem Umhang und macht sich auf den Weg, immer der Sonne hinterher.  

Ein Mönch in den Ruinen von Angkor Wat, Kambodscha. Foto: Wolfgang Bürkle

Besucht im März 2011.

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