Kindheitsträume, Katzen und Bikes: Street Art in George Town, Penang

25.08.2025 15:27
Street Art in George Town, Penang, Malaysia. Foto: wanderwithwolf
 
Kichernd lehnt sich die junge Frau über das halbe Motorrad. Blöd nur, dass sie das linke Bein nicht hinter den Sitz bekommt. Das schafft aber auch niemand. Egal, irgendwann hat sie eine möglichst fotogene Pose gefunden, lächelt ihrem fotografierenden Freund zu, wirft die Arme nach oben, dreht sich mal seitlich, mal nach hinten. Klick, klick, klick macht die Kamera. Sie steigt ab, dann ist der nächste dran, sich auf das halbe Bike zu lehnen. Irgendwann habe ich dann auch die Möglichkeit zum Aufsteigen. Der Junge mit Helm und grauem Shirt ist fast immer von den posierenden Foto-Jägern verdeckt. Er ist nämlich wesentlicher Teil der "Street Art" in George Town, auf der Insel Penang im Nordwesten von Malaysia. Hinter dem Jungen blättert gewaltig der Putz von der Wand ab, auch die rote, hölzerne Tür, auf die er gemalt wurde, hat schon bessere Zeiten gesehen. Das Motorrad allerdings wirkt noch gut in Schuss – offenbar ist es mal restauriert worden. "Boy on a bike" heißt das Kunstwerk ganz nüchtern. Geschaffen 2012 von Ernest Zacharevic aus Litauen. 
 
Street Art in George Town, Penang, Malaysia. Foto: wanderwithwolf
 
Normalerweise bin ich kein Graffiti-Jäger. Aber in George Town hat es mich doch gereizt, ein wenig aufmerksamer durch die Straßen zu gehen und nach der kuriosen Kunst an, vor und zwischen den Wänden zu schauen. Es gibt zwar auch Karten, auf denen die bekanntesten Street-Art-Objekte der Stadt eingezeichnet sind, zu diesem "Abhaken" hatte ich aber bei meinem Besuch keine Lust. Ich ging lieber kreuz und quer durch die Altstadt, zu den "Jetty"-Wasserdörfern, zu Tempeln, Kirchen und Museen – und ließ mich überraschen. Manchmal war auch einfach eine kleine Menschenmenge ein guter Anhaltspunkt, um nach einem der Kult-"Murals" Ausschau zu halten.  
 
Street Art in George Town, Penang, Malaysia. Foto: wanderwithwolf

So etwa auch bei "Children on Bicycle", einem der populärsten Motive, das ziemlich präsent an einer Ecke der Armenian Street angebracht ist. So ziemlich jeder Reisende, der George Town besucht, kommt auch zu dieser Straße im Zentrum der Altstadt, egal ob zum Shoppen oder Sightseeing. Und genau aus diesem Grund ist das plastische Kinder-mit-Rad-Kunstwerk stets umlagert von Influencern und Selfie-Posern. Im Gegensatz zum schräg dahinter liegenden Cheah Kongsi Tempel, der mangels Touristenmassen schon fast eine Oase der Ruhe ist. 
 
Street Art in George Town, Penang, Malaysia. Foto: wanderwithwolf
 
Längst ist die Street Art von George Town ein wichtiger Touristen-Magnet geworden. Seit die Altstadt 2008 zu einem Unesco-Weltkulturerbe erklärt worden ist, locken nicht nur die historische Architektur, Kolonialbauten aus britischer Zeit, chinesische Shops, buddhistische Tempel, Kirchen und Moscheen. Die Street Art hat sich zu einem Markenzeichen von George Town entwickelt, eine Verbindung von Kunst, Architektur und Alltagsleben. Auch gefördert von der Stadt: Vor vielen Welterbe-Gebäuden sind kreative Metall-Skulpturen aufgestellt worden, die im Comic-Stil über die Vergangenheit der Häuser und Straßen aufklären. Die Street Art ist zu einem wichtigen Teil der städtischen Identität geworden. George Town ist ein Schmelztiegel von malaiischen, chinesischen, indischen und kolonialen Einflüssen, heute gewürzt mit Kunst und dem Einfluss des Tourismus.
 
Street Art in George Town, Penang, Malaysia. Foto: wanderwithwolf
 
Während ich durch die Gassen laufe, komme ich an verwitterten Blumen vorbei, an riesigen Schmetterlingen und Fischern, Science-Fiction-Figuren, Regenbogen-Motiven und vielem mehr. Einige Kunstwerke wirken wie hingerotzt, wie typisches Graffiti an einer deutschen Wand, andere sind richtige Kunstwerke. Weitere kombinieren wieder Gezeichnetes mit echten Gegenständen, etwa "Boy on Chair" (auch wieder von Ernest Zacharevic) oder ein halbiertes Auto, umgeben von Gangstern und religiösen Menschen an der St. Xavier's Schule. In einer kleinen Seitenstraße Richtung der "Jetties", der traditionellen Stelzenhäuser am Wasser, verbirgt sich "Brother and Sister on a Swing" von Louis Gan, das auf einer halb verfallenen Mauer zwei lachende Geschwister auf einer Schaukel zeigt. Daneben ist eine echte Schaukel installiert. Perfekt zum Posieren - und auch nicht so umlagert wie die "Children on Bicycle". Zweimal komme ich während meines Aufenthalts hierher, beide Male sind nur wenige andere Passanten zum Fotografieren hier. 
 
Street Art in George Town, Penang, Malaysia. Foto: wanderwithwolf
 
Hinter vielen "Murals" kann man eine Geschichte erahnen. Rikscha-Fahrer, die auf diesen einst wichtigen Beruf verweisen, Katzenmotive, die auf die vielen streunenden Katzen aufmerksam machen, oder Boat-People, die das traditionelle Leben an den Jetties zeigen. Etwas Nostalgie, Erinnerungen an längst vergangene Zeiten, Hoffnung und Träume – dazu eine gewisse Leichtigkeit. Die öffentliche und somit auch vergängliche Street Art in George Town wirkt in den meisten Fällen auf mich durchaus lebensfroh. Die Motive mit Kindern erinnern mich an meine eigene Kindheit, an Schaukel und Fahrrad, an Unbeschwertheit und Freude. Andere regen zum Nachdenken an, wie es wohl früher hier auf der Insel Penang zugegangen sein mochte. 
 
Street Art in George Town, Penang, Malaysia. Foto: wanderwithwolf
 
Die Street Art in George Town erzählt nicht nur die Geschichte der Stadt neu, sie schreibt auch selbst Geschichte – mit Fotospots, die im Jetzt zum Posieren und Fotografieren einladen, aber zudem Vergangenheit und Zukunft widerspiegeln. Und sie lockt natürlich auch diejenigen an, die mit alter Architektur, Tempeln und Co. nicht viel anfangen können. Da ich mich hingegen für dies alles begeistern kann, ist es eine außergewöhnliche Win-win-Situation. Also auf zum nächsten Mural... oder doch lieber in den nächsten Tempel? 
 
Street Art in George Town, Penang, Malaysia. Foto: wanderwithwolf
 
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