Kyoto und Miyajima: Die Faszination der roten Tore in Japan

10.02.2024 18:13

Fushimi Inari-Taisha in Kyoto, Japan. Foto: WanderWithWolf

Ich dränge mich durch eine riesige Menschenmenge. Erst klettert sie die paar breiten Stufen hinauf, blickt ehrfürchtig oder amüsiert auf die roten Füchse an den Tempeln und Schreinen - und dann zwängt sie sich langsam in diese enge Reihe aus unzähligen roten Toren, gleich einer dicken Wollschnur, die auf ein schmales Nadelöhr trifft. Ein paar Meter lasse ich mich mittreiben im Reigen der Selfies und der verzückten "Aaahs" und "Ooohs" der vielen Besucher hier am Fushimi Inari-Taisha - der Shinto-Tempelanlage in Kyoto, mit den tausenden orange- und rotfarbenen Toren. Doch dann will ich raus. Ich sehe eine schmale Lücke zwischen zwei Toren und schlüpfe hindurch, stolpere einen kurzen Abhang im Wald herunter und atme erst einmal tief ein.

Fushimi Inari-Taisha in Kyoto, Japan. Foto: WanderWithWolf

Eigentlich müsste ich ja das Gedränge schon gewöhnt sein. In Japan geht es vor allem in öffentlichen Verkehrsmittel häufig recht beengt zu. Aber an diesen Touristen-Hotspots in Kyoto ist es mitunter unerträglich. Manche Bewohner und Politiker Kyotos klagen schon länger über zu viele Touristen. Das kann ich nur bestätigen. Lange Schlangen gibt es nicht nur hier am Fushimi Inari-Taisha, sondern auch am Goldenen Tempel Kinkaku-ji oder im Arashiyama-Bambus-Wald. Die günstigen Busse, die für viel zu wenig Geld und darum oft prallgefüllt durch Kyoto brummen, sorgen nicht gerade zur Entschärfung der Lage bei.

Fushimi Inari-Taisha in Kyoto, Japan. Foto: WanderWithWolf

Dennoch weiß ich, dass man nur lange genug laufen muss, um ruhige Stellen in Japan zu finden. Der Fushimi Inari-Taisha etwa zieht sich auf einen Berg hoch, die Tore prägen ihn wie dürre rote Narben - und je weiter es hinauf geht, desto eher geben die Besucher auf. Vor allem, wenn sie am selben Tag noch weitere Attraktionen auf dem Programm haben. Ich schlendere also erst einmal neben den Toren her, bis zur ersten Kreuzung, wo manche Besucher auch schon kehrtmachen. Schließlich geht es steiler voran, zum Shin-ike-Teich mit seinem Schrein. Und von da an wird es merklich anstrengender - und auch deutlich leerer. Hinter dem ersten Aussichtspunkt auf Kyoto gibt es weitere Verzweigungen. Ich komme wieder an mehreren kleinen Schreinen vorbei, darunter dem im Dunkel zwischen den Gipfeln liegenden Gozendani Hohaisho. Moosbewachsene Steine, kleine Nachbildungen der Tore und ein kurioses Durcheinander verleihen diesem Platz eine mystische Stimmung. Hier sind auch kaum noch Besucher - und umso schöner wirkt das Ganze. Es geht weitere Treppen hoch, dann wieder runter. Und in jedem Abschnitt, der dem Eingang näher kommen, treffe ich auch wieder mehr Menschen. 

Fushimi Inari-Taisha in Kyoto, Japan. Foto: WanderWithWolf

Das erste rote Tor auf meiner Reise durch Japan sehe ich natürlich in Tokyo, im Stadtteil Asakusa - das gewaltige Donnertor am Sensō-Tempel, durch das täglich tausende Menschen strömen. Während meiner Reise kommen unzählige Tore hinzu. Auch an kleineren Tempeln und Schreinen steht immer wieder ein zinnoberrotes Tor, manchmal sind es graue oder hölzerne Varianten. Doch warum sind in Japan eigentlich so viele rote Tore? Reiseführer und Google klären auf: Ein Torii soll in der Shinto-Religion den Übergang von der profanen Welt in spirituelle Sphären markieren. Die rote Farbe soll zudem Dämonen vom Tempel fernhalten. Das Rot steht allerdings auch für Sonne - und für helfende Gottheiten. Gut, wenn man sich da für irgendwas entscheiden kann.   

Asakusa, Donnertor, Tokio, Japan. Foto: WanderWithWolf

Mit das berühmteste Tor findet sich in einer Bucht vor der Halbinsel Miyajima, unweit von Hiroshima gelegen. Es steht vor dem Schrein von Itsukushima - und ist am schönsten, wenn es von Wasser umgeben ist. Dann wirkt es, als würde es schweben. Entsprechend lang ist die Schlange für ein Selfie am Schrein. Und entsprechend voll ist auch das Ufer der Bucht. Immerhin sind bei Flut keine Menschen auf einem Foto zu sehen, außer, es paddelt wieder mal ein Boot an und durch das etwa 16 Meter hohe "Itsukushima Jinja Otorii".

Itsukushima-Schrein, Miyajima, Japan. Foto: WanderWithWolf

 
Natürlich ist ein riesiges, zinnoberrotes Tor in einer beschaulichen Bucht ein Hingucker. Vor allem, wenn ringsherum, graublaues Wasser ist, dahinter das andere Ufer mit hohen Bergen und grünbraunen Wäldern. Eine grandiose Ästhetik, die die spirituelle Atmosphäre des Schreins zu unterstreichen scheint. Da ist es logisch, dass die Insel von Miyajima ein Touristenmagnet ist. Dazu kommen zahme Zika-Hirsche, verträumte Tempel überall - sowie eine Brauerei und viele Shopping-Möglichkeiten.  
 
Itsukushima-Schrein, Miyajima, Japan. Foto: WanderWithWolf
 
Bei Ebbe strömen alle Besucher Meter für Meter durch den Matsch und wollen das beeindruckende Holztor natürlich auch antatschen. Das ließ ich mir natürlich auch nicht nehmen, verbrachte so also mehrere Stunden rund um den Schrein, besuchte auch die anderen Tempel, bis ich an diesem Nachmittag einer der ersten war, der das Torii berühren konnte. War dieses Gefühl besonders magisch oder spirituell? Nein, nicht wirklich. Aber ich bin ja auch kein Shintoist. Es ist eher so, wie wenn man die Pyramiden oder das Taj Mahal berührt - eine Vergewisserung, dass man an einem tollen Ort mit langer, aufregender Geschichte ist. 
 
Itsukushima-Schrein, Miyajima, Japan. Foto: WanderWithWolf

 

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