Uganda - Eine Autopanne im Herzen Afrikas

02.06.2013 14:44

Von Fort Portal nach Masindi.


Konsterniert schaut unser Fahrer in der sengenden afrikanischen Hitze nach seinem Toyota Corona. Das weiße Auto ist aufgebockt, der Wagenheber liegt auf einer wackeligen Holzlatte, ein paar Steine sollen das wegrollen verhindern. Unter dem Heck liegen die dörflichen Mechaniker und sehen sich den Schaden an. Nach wenigen Augenblicken ist klar: Die hintere Spurstange ist gebrochen. Kein Wunder also, dass der Fahrer nach einem Ruck, der durch das Fahrzeug ging, vor einer guten Stunde nicht mehr richtig lenken konnte und das hintere rechte Rad in einem merkwürdigen Winkel abstand. Zu fünft saßen wir in dem Auto, der angeheuerte Fahrer, drei Jungs und ein Mädel, dazu unser ganzes Gepäck. Wir waren auf dem Weg von Fort Portal nach Masindi, eine 260 Kilometer lange staubige Schotterpiste im Westen von Uganda, die man eigentlich eher mit einem Jeep befahren sollte, als mit einem Toyota Corona, dessen Frontscheibe schon ziemlich viele Sprünge aufwies. Und nachdem wir schon mehrere Stunden holprig unterwegs waren, schien gut 30 Kilometer vor dem Ziel die Tour erst einmal zu Ende. 

In Uganda, oder sagen wir vielleicht in ganz Afrika, gibt es viele Arten zu sterben. Autounfälle gehören dazu, aber eher noch Hungersnöte, Malaria, Durchfall oder geisteskranke Diktatoren. Manchmal explodiert auch eine Pipeline, weil ein Dieb beim illegalen Öl-Abzapfen raucht. Ab und an werden Weiße, hier Muzungus genannt, auch abgestochen oder ausgeraubt oder beides. Einige aus unserem Quartett hatten schon entsprechende Erfahrungen mit ungebetenen Gästen im Hotelzimmer gemacht. Der Schaden am Auto war allerdings für Uganda unsere Unfallpremiere.

Irgendwo zwischen Fort Portal und Masindi. Foto: Wolfgang Bürkle

Wir, die vier Muzungus, steigen auf Anraten des Fahrers also auf der holprigen rotbraunen Erdpiste mit den tiefen Schlaglöchern zwischen Fort Portal und Masindi aus dem Toyota aus und schultern unsere schweren Rucksäcke, um den Corona zu erleichtern. Glücklicherweise liegt die letzte Ortschaft nur wenige hundert Meter hinter uns. Der Fahrer legt also den Rückwärtsgang ein und fährt in merkwürdigen Schlangenlinien zurück, während wir in Richtung des Dorfes trotten. Vor den klapprigen Holz- und Wellblechhütten schauen uns einige Ugander neugierig an, Kinder lassen alles stehen und liegen und rennen von den Hinterhöfen zur Straße, um uns mit gebührendem Sicherheitsabstand anzuschauen. Ein paar heben ihre Hände zu einem schüchternen Winken. Unser Fahrer bittet uns schließlich, dass wir uns in den Schatten setzten, während er nach einem Mechaniker sucht. Ich gehe kurz in einen kleinen Laden, der die üblichen bunten Werbeplakate an seiner Außenwand angebracht hat - von Coca-Cola und Nestlé-Produkten bis hin zu Mars. Der alte Mann hinterm hölzernen Tresen beäugt mich, als ich in den dunklen Raum trete und nach einer Sprite frage. Er zeigt mit dem Finger auf einen alten Kühlschrank, der natürlich nicht an das unzuverlässige ugandische Stromnetz angeschlossen ist. Darin liegen ein paar warme Flaschen, ich nehme eine Sprite und drücke dem Mann ein paar Scheine in die runzlige Hand. Er zählt nach, greift in eine Schublade und wirft wortlos ein paar Münzen auf den Tresen. Höflichkeit ist nicht unbedingt seine Stärke. Ich sage "Bye" und mache mich auf den Weg zurück zu den anderen, die bereits ihre Rucksäcke wieder geschultert haben. Denn unser Fahrer kann schon mal einen Erfolg verbuchen - er hat eine Werkstatt gefunden. Wir machen uns auf den Weg dorthin, vorbei an weiteren Bretterhütten, starrenden Frauen und winkenden Kindern.    

Wir setzen uns auf einen Heuballen neben dem Bretterverschlag, der nur ein paar Meter von der Hauptstraße entfernt. Ein paar Hühner rennen zwischen uns und dem aufgebockten Toyota umher. Ein Mechaniker im zerrissenen T-Shirt liegt noch unter dem Auto, ein anderer im fleckigen Hemd schließt das Schweißgerät an eine Autobatterie an, ein dritter steht daneben. Die Gerätschaften mussten sie erst aus irgendeiner Garage ein paar hundert Meter entfernt mit einer Sackkarre beischaffen. Die Schweißbrille ist eine ganz normale Plastiksonnenbrille, die sich der Mechaniker provisorisch vor die Augen hält. Einer aus unserem Quartett, der in Deutschland bei einem Autozulieferer arbeitet, schüttelt mit dem Kopf. "Also wenn die das hinkriegen...", murmelt er ungläubig. Doch der Mechaniker lacht. "Solche Fälle haben wir hier mindestens zwei Mal die Woche", betont er in seinem undeutlichen Englisch und zeigt sich sicher, dass die Spurstange nach dieser Reparatur "bestimmt einen Monat hält". Wahrscheinlich ist sie sogar stabiler als vorher, nachdem die Autospezialisten die Spurstange mit vielen Metallresten umfangreich verschweißt und verstärkt haben.

Irgendwo zwischen Fort Portal und Masindi. Foto: Wolfgang Bürkle
 

Da wir für die Fahrt von Fort Portal nach Masindi entlang der Ruwenzori Bergen nicht mehr die lange Route über Ugandas Hauptstadt Kampala fahren wollten, suchten wir uns einen Fahrer, der die staubige Strapaze auf sich nimmt. Masindi ist nämlich der Ausgangspunkt für Touren zum Murchison-Falls-Nationalpark, zu der beeindruckenden Tierwelt und den namensgebenden Wasserfällen, die den Park zu einem der touristischen Höhepunkte des Ostafrikanischen Landes machen.

Während wir nun in dem kleinen Ort an der Strecke auf die Vollendung der Schweißarbeiten warten, tuckern ganze Lastwagen voller staubiger und verschwitzter Arbeiter an uns vorbei. Sie johlen und gröhlen, als sie unsere blonde Mitfahrerin sehen. Die kann sich allerdings nur ein gequältes Lächeln abringen, während sie an einer Cola nippt. Wir warten weiter. Nach nicht einmal einer Stunde die gute Nachricht: Die Spurstange ist geschweißt, es kann weiter gehen. Unser Fahrer atmet auf, wir auch. Unsere Rucksäcke, mittlerweile auch schon mit einer rotbraunen Schicht bedeckt, landen wieder im Kofferraum. Der Fahrer gibt den Mechanikern ein ordentliches Trinkgeld - wobei die Reparatur in Kampala wohl teurer gewesen wäre. Wir steigen ein, fahren los, alles ist gut. Ich schaue auf die Uhr. Bis zum Sonnenuntergang dauert es noch ein paar Stunden. Bis Masindi ist es nicht mehr weit.

 

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Besucht im März 2012.

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