Will ich hier Kalif werden? Im Bann der Alhambra in Granada

20.10.2025 10:30

Die Alhambra in Granada, Spanien. Foto: wanderwithwolf

Azurblauer Himmel, knappe 30 Grad, ein laues Lüftchen weht durch die Zypressen, Granatapfel- und Orangenbäume. Irgendwo plätschert auch ein kleiner Brunnen. Andalusien wie es im Buche steht: hier ein Wasserspiel, dort ein filigranes Mosaik auf dem Boden. Und ein paar Meter weiter nur noch die Grundmauern einer früheren Stadt. Dann hohe Hecken, Beete und ein Tor, eine Kirche dahinter... okay, ich schweife ab.


Die Alhambra in Granada, Spanien. Foto: wanderwithwolf
 

Fangen wir von vorne an: Ich hatte mir die Alhambra in Granada im Vorfeld als eine exotische Einheit vorgestellt - wie einen riesigen maurischen Palast eines Kalifen vielleicht, ein vollendeter Traum aus Tausendundeiner Nacht. Und nicht wie ein Konglomerat aus unterschiedlichen Baustilen, mit Kirchen, Parks, Wohnungen und Ruinen dazwischen. Möglicherweise hätte ich mehr YouTube-Videos anschauen oder einen Reiseführer lesen sollen. Sonst bin ich ja auch besser vorbereitet. Aber so hatte ich einfach ein paar Wochen vor meiner Reise nach Andalusien ein Ticket auf der Webseite der Alhambra bestellt, zumindest einige grobe Informationen über dieses Unesco-Weltkulturerbe konsumiert (Wo kann ich parken? Wo sind Klos? Wo gibt es was zu trinken?) und dann irgendwie gedacht: ja wird schon. Also treiben lassen, schauen, was einen erwartet und alles mitnehmen, was so kommt. Und das war dann mehr als erwartet.

Die Alhambra in Granada, Spanien. Foto: wanderwithwolf

Die Alhambra also. Ein Wahrzeichen Spaniens, in Teilen über 700 Jahre alt und eben seit 1984 Unesco-Weltkulturerbe. Und heute ganz schön voll. Ja, es sind viele Menschen hier. Nicht umsonst gilt die Alhambra als eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Europas. Immerhin werden die Besucherströme ein wenig gelenkt, mit Pfeilen, Absperrungen und Hinweisen. Hilft auch ein bisschen: Denn das Gelände ist riesig, wie gesagt, eher Stadt als Palast. Und eben deswegen auch so vielfältig und interessant. Die Festung Alcazaba auf der einen Seite des Ensembles, ganz am anderen Ende von den offiziellen Parkplätzen, dann die hübschen Gärten und der Generalife-Sommerpalast auf der anderen Seite und dazwischen viele andere Gebäude und Kirchen - darunter der Palast Karls V. und die Nasridenpaläste. Letztere gelten sozusagen als Highlight der Alhambra, auch weil hier die hübschesten Innenhöfe, Mosaike und Brunnen sind.

Die Alhambra in Granada, Spanien. Foto: wanderwithwolf

Natürlich will ich alles ablaufen, in möglichst viele Gebäude hineinschauen. Aber erstmal geht es zu den Nasridenpalästen - und mein anfänglicher Elan wird direkt von der Schlange gebremst, die sich davor aufgereiht hat. Warten ist nicht mein Ding. Immerhin stehe ich unter Bäumen und Schirmen an. Doch schließlich bin ich dran und kann den maurischen Komplex in Augenschein nehmen. Schon hübsch, aber irgendwie nicht überwältigend - es wirkt so klein und beschaulich im Vergleich etwa zu den Medresen von Samarkand oder dem Naqsch-e-Dschahan-Platz in Isfahan. Natürlich ist der beschauliche Löwenhof hier das Highlight. Auch wenn ich zuvor dachte, er sei größer. Ich bewundere die filigranen Säulen, die Arabesken und arabischen Schrittzüge an den Wänden, natürlich auch den marmornen Löwenbrunnen. Kurz denke ich dabei an den Comic-Antihelden Isnogud und seinen markigen Spruch: "Ich will Kalif werden anstelle des Kalifen." Klar, mit genügend Geld und Macht ließe sich hier bestimmt ein vortreffliches Kalifen-Leben führen. Nach ein paar umfangreichen Umbauten selbstverständlich. Aktuell sieht es aber nicht danach aus, dass ich Kalif, Emir oder Sultan werde. So teile ich die Besichtigung der Alhambra mit Tausenden anderen Menschen.

Die Alhambra in Granada, Spanien. Foto: wanderwithwolf

Wenigstens verteilen sich die Besucher recht gut. Gruppen überhole ich oder lasse sie vorbeiziehen. Dann lassen sich durchaus Fotos in Ruhe machen - und fast ohne andere Nasen drauf. Da alles so verwinkelt und wirklich weitläufig ist, wird es zum Ausgang der Paläste hin immer ruhiger. Die anderen Teile der Alhambra kann ich ohne Schlangestehen besichtigen: Den Palast Karls V. etwa, der durch seine mächtige, innen runde und außen viereckige Form eher wie ein Fremdkörper neben dem Nasridenkomplex wirkt. Dann die Ruine der Festung Alcazaba, mit hohen Mauern und Türmen, aber mit wenigen Verzierungen. Und zuletzt den Sommerpalast Generalife, mit den Wasserbecken, Brunnen, Beeten und Kolonnaden. Ihr merkt: Die Alhambra ist groß und es gibt viele unterschiedliche Dinge zu sehen, vergleichbar mit vielen anderen Städten, in denen man erst ein Schloss, dann eine Burg, ein Museum und dann noch irgendwas anderes anschaut. Dazwischen hat die Alhambra auch noch ein paar kleine hübsche Tupfer, wie das Weintor "Puerta del Vino", diverse Aussichtspunkte und die kleine Gartenanlage "El Partal".

Die Alhambra in Granada, Spanien. Foto: wanderwithwolf

Doch was bleibt nun von meinem Alhambra-Besuch in Erinnerung? Ein merkwürdiger Kontrast zwischen touristischem Trubel und der stillen Harmonie in Palästen und Gärten, die man mit ein bisschen Glück und Ausdauer sogar finden kann. Eine Architektur zwischen filigranen arabischen Schnitzereien und massiven Steinblöcken. Spiegelnde Wasserbecken, rauschende Brunnen, symmetrische Gärten. Viele grandiose Aussichten auf die Landschaft und auf die einzelnen Gebäude des Komplexes. Und ein Gefühl von Melancholie - die sich in der Vergänglichkeit der Kulturen zeigt. Eine einst harmonisch geschaffene Welt, die nun von Tausenden von Menschen jeden Tag gestört wird.

Die Alhambra in Granada, Spanien. Foto: wanderwithwolfDie Alhambra in Granada, Spanien. Foto: wanderwithwolf

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