Kaltes Wasser. Und irgendwie zu grün. Es ist bewölkt, also hat das sonst so klare hellblaue Wasser seine Farbenfreude verloren. Dennoch, ich will da rein. Auf dem scharfkantigen Lavagestein habe ich vorsichtig die Flossen angezogen, Brille und Schnorchel aufgesetzt. Langsam und unbeholfen taste ich mich, teils auf dem Felsen sitzend, teils mit einer Hand das Gleichgewicht bewahrend, mit den Flossen ein wenig nach vorne. Eine falsche Bewegung und ich würde ausrutschen und mir schmerzhaft am schwarzen Stein irgendwelche Abschürfungen einfangen. Ein knallroter Krebs sitzt in einem Spalt und starrt mich entgeistert an. Ein paar watschelnde Schritte und ich lasse mich in das kalte Wasser nahe der Isla Isabela gleiten.
Isabela ist die größte der Galapagos-Inseln, die gut 1000 Kilometer von Ecuador entfernt im Pazifik liegen. Gerade mal eine Million Jahre alt ist die Insel, entstanden durch gigantische Vulkanausbrüche und heute bekannt für ihre einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Die Echsen sind riesig, die Schildkröten auch, es gibt Pinguine, Flamingos, Seelöwen, Blaufußtölpel und natürlich die berühmten Darwin-Finken. An den Inseln treffen mehrere Wasserströmungen aufeinander - und diese sorgen für eine einzigartige Unterwasserwelt. Zeit, sich davon selbst ein Bild zu machen.
Ich höre leises Geblubber, aber vor allem meinen Atemzug, der möglichst gleichmäßig die Luft über dem Schnorchel ansaugt. Unter Wasser höre ich mich selbst röcheln wie Darth Vader mit seinem Helm. Nach ein paar Flossenschlägen vergesse ich die Kälte. Um mich herum ist alles in ein hellgrünes Licht getaucht. Die ersten Fische fliehen vor mir, Korallenriffe tauchen auf. Ein Knurrhahn liegt auf dem sandigen Boden direkt unter mir, ein paar Meter weiter einige leuchtend blaue Seesterne. Dann sehe ich die erste riesige Wasserschildkröte vor mir - sie hat es sich futternd am Boden hinter einem Stein bequem gemacht. Ich lasse mich darüber treiben, mache ein paar Fotos, störe sie nicht. Ihr deutscher Name ist Suppenschildkröte - der Englische gefällt mir besser: pacific green turtle. Denn essen darf die heute keiner mehr. Wenige Meter weiter kommen noch mehr davon. Sie sind riesig, über einen halben Meter lang und umtanzen einander majestätisch. An Land wären sie nur fette Brocken, die sich behäbig über den Sand schieben würden, doch unter Wasser zeigen sie eine wunderbare Grazie.
Im Gegensatz zu den großen Galapagas-Landschildkröten, die mit elefantenähnlichen Beinen schwerfällig durchs Gebüsch stapfen, schweben sie an mir mit ihren Flossen ganz gelassen vorbei, um etwas Luft zu holen. Sie umkreisen einander wie Balletttänzer in Zeitlupe. Sie haben keine Scheu, wollen nicht vor mir fliehen. Vielleicht bin ich in ihren Augen nur ein merkwürdiger Seelöwe. Eine Flosse von ihnen streift meine Flosse. Ganz ruhig schwimmen die Wasserschildkröten auf und ab, lassen sich in der Strömung auf der Suche nach Futter etwas treiben, um sich dann mit ein paar Flossenschlägen wieder an die Oberfläche zum Luftholen zu katapultieren.
Ich schwimme weiter, mein Verharren lässt es frisch werden. Mit Neoprenanzug könnte ich noch stundenlang einfach hier dümpeln und den Schildkröten zuschauen, die Welt dabei vergessen. Der "turtle dance" wirkt friedlich, geradezu beruhigend - so, als ob man in aller Stille die hinfort fliegenden Samen einer Pusteblume beobachtet. Ein paar Meter weiter sind wieder einige einladende Riffe, mit großen Fischschwärmen, durch die ich hindurch schwimme. Auch hier keine Hektik, kein eilendes Fliehen der schillernden Fischlein, sie weichen mir einfach gelassen aus. Ein kleiner Stachelrochen kommt vorbei, seine welligen Flossen wedeln unter Wasser wie Fähnchen im Wind. Das Wasser wird kühler, dunklere Wolken ziehen auf, bedecken schließlich den ganzen Himmel. Einige Regentröpfchen fallen bereits auf das Wasser. Ich schwimme zurück zum Ufer, watschele mit den Flossen wieder über das Vulkangestein. Diesmal schaut mich ein Leguan-Pärchen dabei argwöhnisch an. Jaja, ich lass euch euren Frieden, flüstere ich und gehe.
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