Entrückte Sehnsucht - Strandgedanken in Kiel

24.06.2015 11:22

Ich saß einfach nur da und schaute. Auf den Horizont. Auf das Wasser. Auf die Wellen, die in immer anderen Mustern zum Strand hin strebten. Auf die großen und kleinen Schiffe, die nach links, nach rechts, oder einfach im Kreis über die Ostsee schipperten. Möwen sausten ab und an über mich hinweg. Die Sonne schien, nur wenige Wolken zogen langsam über die Kieler Förde. Meine Füße wühlten gemächlich durch den feinen Sand, der zwischen den Zehen wieder herausrieselte.

Die Menschen lagen am Strand beim Olympiahafen wie ausharrende Eidechsen in der prallen Sonne, manche duckten sich in den Schatten der aufgerichteten Sonnenschirme, andere kickten angeberisch mit einem Fußball herum oder warfen kleine Kiesel in das Meer. Einige wagten sich für kurze Zeit ins kühle Nass. Für Kiel war es wohl warm, die Luft gerade mal etwas über 20 Grad. Und der Strand war voll an diesem Freitagnachmittag. Ein Entenpärchen wackelte unbeirrt an mir vorbei und hockte sich stolz vor einen der bunten Strandkörbe hinter mir. Mit mir starrten sie aufs Wasser. 

An der Kieler Förde, Deutschland. Foto: Wolfgang Bürkle

Der Blick auf das Meer löst in mir immer eine gewisse Sehnsucht nach der Ferne aus, das stetige Rauschen und die langsamen Bewegungen der Wellen wirken wie ein hypnotisierendes Pendel vor dem Gesicht. Ein bisschen so, wie wenn man in ein Lagerfeuer blickt. Das Meer zieht die Augen magisch an, regt Gedanken an. Irgendwie kann niemand den Blick vom Horizont abwenden - so als habe ein jeder das Verlangen nach der Ferne in sich. So, als wolle er sofort seinen jetzigen Standort verlassen und sich auf die Reise machen, neugierig auf das, was dort ist und nicht hier. Vielleicht liegt irgendwo da hinten ja das Glück, das man hier vergeblich sucht.

An der Kieler Förde, Deutschland. Foto: Wolfgang Bürkle

Auch der Strand selbst übt eine Faszination aus, vor allem für die Menschen, die nicht weiter reisen, als bis dorthin. Es ist eine Grenze der Sicherheit, bis hierher und nicht weiter. Bis zur Nordsee, zur Adria vielleicht, aber das reicht dann auch, alles weiter weg ist dann doch suspekt. Und wenn ich an dieser Grenze stehe, an dieser Hürde, die nur von Schiffen und Flugzeugen bewältigt werden kann, dann starre ich hinaus, denke vielleicht, dass es hier schön genug ist. Vielleicht muss ich nicht in unbekanntes Land aufbrechen - wer versichert mir denn, dass es dort besser sein wird? Will ich das Gewohnte, oder zieht es mich stärker zum Unbekannten? Keimt in mir der Wunsch auf, ich wäre dort und nicht hier? Bei Flüchtlingen sind die Verheißungen auf ein besseres Leben die Triebfeder für eine beschwerliche Reise. Bei mir ist es die Neugier, die mich auf nicht so ganz beschwerliche Reisen lockt. Oder ist es doch vielleicht die Suche nach dem perfekten Platz auf Erden?

Egal an welchem Strand man ist, der Blick zieht immer aufs Meer hinaus. Die schönste Frau kann neben mir liegen, eine Augenweide im Hier und Jetzt sein. Doch das Rauschen des Wassers lenkt die Aufmerksamkeit zurück auf die Wellen. Der Rücken zeigt aufs Hinterland, auf die hässlichen Hotelkomplexe, auf Wohnbauten, auf Palmen oder Straßen. Die Augen schweifen irgendwann hinaus, ins Nichts, wo die Schiffe scheinbar vom Rad der Welt fallen. Und irgendwie blitzt dann eine Hoffnung auf, als ob man sich wünscht, irgendwo dort und nicht hier zu sein. Ein Urgefühl, tief in uns drin. 

An der Kieler Förde, Deutschland. Foto: Wolfgang Bürkle

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